Einflüsse von COVID-19 auf die Lehrer-Schüler-Beziehung

Speziell: Unterstützung des Lehrers beim Lernen

Soemers, J. (2020). Lehrer-Schüler-Beziehungen im Berufsschulunterricht. Eine empirische Studie.

 

www.jsoemers.de

 

Artikel 2

Rückblick

 

Im ersten Artikel über die Einflüsse von Corona auf die Qualität von Lehrer-Schüler-Beziehungen wurde dargelegt, dass Lehrer aktuellen Studien zufolge den beruflichen Handlungskompetenzerwerb der Azubis durch die Gestaltung der Lehrer-Schüler-Beziehungen im Präsenzunterricht fördern können, dass die Coronapandemie jedoch eine Verlagerung weg vom gemeinsamen Lernen im Präsenzunterricht im Klassenverband hin zum Distanzlernen im Homeschooling bewirkt.

 

Der durch die Regierung auferlegte Distanzunterricht nimmt Lehrern die Möglichkeit, die Qualität der Lehrer-Schüler-Beziehungen und somit indirekt auch den Erwerb der beruflichen Handlungskompetenz der Azubis durch die Gestaltung der Lehr- und Lernatmosphäre während des gemeinsamen Präsenzunterrichtes im Klassenverband zu verbessern.

 

Forschung

 

Um Aussagen über die Einflüsse der Coronapandemie auf die Qualität der Lehrer-Schüler-Beziehungen und somit indirekt auch auf den Erwerb der beruflichen Handlungskompetenz machen zu können, muss man zusätzlich zu den Auswirkungen von COVID-19 auf die Lehr- und Lernatmosphäre auch die Auswirkungen auf die Unterstützung des Lehrers beim Lernen als zweitbedeutendste Kategorie besonders guter Lehrer-Schüler-Beziehungen im Berufsschulunterricht bewerten.     

 

Die folgende Abbildung zeigt die Verteilung von 240 Sinneinheiten besonders guter Lehrer-Schüler-Beziehungen im Berufsschulunterricht, die durch strukturierende Inhaltsanalysen von 103 Schüleraufsätzen aus den subjektiven Theorien von Azubis exploriert wurden.

Es wird deutlich, dass die Qualität der Lehrer-Schüler-Beziehungen neben der im Artikel 1 bereits untersuchten Lehr- und Lernatmosphäre auch maßgebend von der Kategorie der „Unterstützung des Lehrers beim Lernen“, die den Enthusiasmus und das Engagement, die Kompetenzen der Schüler zu fördern, beschreibt, abhängt.

  

Innerhalb Kategorie verteilen sich die 54 Sinneinheiten auf die beiden Merkmale „es wird bei individuellen Lernproblemen gerne geholfen“ und „es wird ein Lernzuwachs aller angestrebt“.  

 

 

Das Merkmal „es wird bei individuellen Lernproblemen gerne geholfen“ beschreiben die Schüler in den Aufsätzen mit folgenden Sinneinheiten:

  

wenn der Lehrer den Mathestoff individuell für einzelne Schüler bestmöglich wiederholt; wenn einem Schüler die Aufgabe immer wieder in aller Ruhe erklärt wird, bis er sie verstanden hat; wenn der Lehrer sich Zeit für jeden einzelnen Schüler nimmt; wenn Themen doppelt erklären werden, wenn einem Schüler etwas nicht so deutlich wurde; wenn der Lehrer auf die einzelnen Probleme und Bedürfnisse der Schüler eingeht; wenn der Lehrer bei Nachfragen guter Dinge speziell auf den Schüler eingeht; wenn Lehrer versuchen, es jedem einzelnen Schüler zu erklären

Das Merkmal „es wird ein Lernzuwachs aller angestrebt“ wird von den Schülern folgendermaßen ausgedrückt:

 

wenn der Lehrer immer davon ausgehen will, dass jeder alles verstanden hat; wenn der Lehrer gut erklärt und versucht, dass es auch jeder versteht; wenn er versucht, es wirklich jedem verständlich zu machen; wenn der Lehrer durch Wiederholungen sicher sein möchte, dass es alle verstanden haben; wenn er sich Mühe gibt, es so zu erklären, dass es alle verstehen; wenn es dem Lehrer sehr wichtig ist, dass alle Schüler gut mitkommen und dass keiner zurückbleibt; wenn Lehrer es für alle verständlich machen

 

Fazit

 

Bei der in diesem Artikel analysierten Kategorie der „Unterstützung des Lehrers beim Lernen“ als zweite bedeutende Kategorie besonders guter Lehrer-Schüler-Beziehungen im Berufsschulunterricht liegt der Fokus viel stärker auf dem Lehrer und viel stärker auf der Initiierung und Begleitung der Lernprozesse als bei der im ersten Artikel untersuchten Kategorie der „gemeinsamen Lehr- und Lernatmosphäre“.

  

Die Verlagerung des gemeinsamen Lernens im Präsenzunterricht im Klassenverband hin zum digitalen Lernen im Homeschooling eröffnet Lehrern viele neue und bisher ungenutzte Möglichkeiten, die Qualität der Beziehungen zu ihren Schülern und somit indirekt auch deren Erwerb der beruflichen Handlungskompetenzen durch die Initiierung und Begleitung abwechslungsreicher, anspruchsvoller und zielführender Lernprozesse in Homeschooling-Lessons, Zoom-Education-Meetings, All-In-One Webinaren und Learning-Tutorials zu verbessern, was erhebliche Mehrbelastungen der Lehrer bedingt.

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Kommentare: 1
  • #1

    Uwe Hameyer (Dienstag, 17 November 2020 17:43)

    Lieber Herr Soemers, Sie haben ein wichtiges Thema inhaltsanalytisch erforscht. Interessant, was die Lernenden relativ konvergent betonen. Bleiben Sie dran an diesem Thema, machen Sie daraus einen professionellen Schwerpunkt gleichsam als Ansiedlungsmitte für Erkenntnisse aus benachbarten Gebieten und Forschungsrichtungen. Dann kömmt möglicherweise auch der interaktive Kontext mit ins Spiel, der Habitus eines Lehrenden, bei dem solche Antworten entstehen, time on task Dimensionen (wieviel Zeit wurde auf welche einschätzungsrelevanten thematiken von den Lernenden aus verwendet, wieviel Zeit von den Lehrenden)), andere sicher auch. Ich empfehle nicht, die Variablenwelt endlos zu erweitern, das bringt methodologisch meistens nichts, aber doch als weitere Stufe der Erkenntnis den Entstehungshintergrund etwas zu systematisieren. Vielleicht haben Sie das gemacht, ohne dass ich es hier lesen konnte. Wie auch immer - ich spüre Ihre Begeisterung, pflegen Sie diese, lassen Sie diese durch nichts zerreden, bilden Sie möglicherweise auch ein Team, weil Forschung sehr schnell arbeitsaufwändig und hoch komplex wird.

    Ein kleiner Punkt, den ich nicht teile, das wird mich nicht in ein gutes licht stellen ....: lehrende werden nicht notwendigerweise mehrbelastet, wenn Sie ihren unterricht auch mal auf andere weise vorbereiten und an systematischer unterrichtsentwicklung im team, sofern möglich auch schulübergreifend, mitwirken. nicht alles, was lehrende neu tun müssen, ist gleich eine riesengrosse neue belastung. das gilt für jeden anderen beruf auch so etwa wenn in einer kommunalverwaltung ein neues buchungs- und datenbanksystem eingeführt wird. das kann auch entlasten und es soll dieses auch .... vermutlich muss man unterscheiden zwischen enrichment der lehrertätigkeit, situativem arbeitszuwachs aufgrund der tatsache, dass in besitmmten bereichen nichts vorliegt ..... DAS hat der einzelne lehrer nicht zu verantworten ....., diversifizierung der individualisierungsangebote (eine der ursprünglichsten, wirklich völlig normalen gebote im pädagogischen feld .....). allerdings, da muss ich zustimmen: in der gegenwärtigen situation, wo vieles fehlt, weil "man" entwicklungen über die jahre verschlafen hat, ist ein nachholfbedarf, und wenn der unter zeitdruck zu erbringen ist, DANN entsteht mnit sicherheit eine schnell sich einstellende neue erwartung und ein erwartungsdruck. aber zu meinen punkten davor noch: in dänemark und schweden, wo man teilweise seit einem jahrzehnt mit diesen neuen methoden, medien und digitalen systemen arbeitet, ist in der coronazeit diesbezüglich für die lehrenden nichts wirklich neues und damit auch in diesem feld nichts belastendes dabei. dass manche kinder nicht zur schule kommen können, dass eltern ihre neuen ansprüche stellen, dass usw. --- daraus entstehen andersartige, sehr ernst zu nehmende belastungen. da ich auch im berufsbildenden bereich gearbeitet habe und diesen besonders schätze, weiss ich, die die eltern der jugendlichen und jungen erwachsenen nicht so übergriffig sind oder sein können wie in der grundschule oder anderen jüngeren jahrgängen ..... das sind interne, eher flapsige beobachtungen. alles gute weiterhin, viiel freude und immer eine starke zuversicht, speziell auch in dieser zeit einer flüchtigen moderne (titel eines der fantastischen bücher meines lieblingssoziologen Zygmunt Bauman, er ist leider bei uns noch nicht so wirklcih entdeckt worden, obgleich mehrere werke ins deutsche übersetzt wurden). herzliche grüsse uwe hameyer www.hameyer-systemberatung.de in diesem bereich bieten wir lerncoachingserien an, immer mit einem universitären zertifikat v erbunden und relativ umfangreich, sonst kann man kein wahrer lerncoach sein ...... und mein hobby, das mehr zeit beansprucht und langsam auch findet, ist die fotografie, daher der link: www.foto-art-online.de